Durch die Nacht von Stig Sæterbakken

Durch die Aktion The Passion We Share vom Dumont Buchverlag ist das Buch „Durch die Nacht“ des norwegischen Autors Stig Sæterbakken in meine Hände gelangt. In einem Tandemprojekt (was eigentlich deutsch-norwegisch sein sollte, aber wegen der großen Teilnehmerzahl der Deutschen nicht perfekt hingehauen hat) wurde sich dann über das Buch ausgetauscht. Und ich muss sagen, ich bin mit meiner Tandempartnerin mehr als zufrieden. Danke, für die tolle Auswahl!

Processed with VSCO with a5 presetKarls Sohn Ole-Jakob begeht Selbstmord und stürzt damit seine Familie in die Situation nach dem „Warum?“.  Vorallem gibt sich sein Vater Karl die Schuld an seinem Tod, da dieser durch eine Affäre mit der jüngeren Frau Mona die Familie entzweit hat. Er begibt sich daraufhin auf den Weg in die Slowakei, weil es dort ein Haus gibt, welches einen mit deinen schlimmsten Ängsten konfrontiert.

Das Buch ist in drei Abschnitte geteilt. Der erste behandelt die Zeit direkt nach dem Selbstmord von Ole-Jakob, der zweite Teil führt in die Vergangenheit von Karl und die Protagonisten ein und der letzte Teil thematisiert die Zeit, in welcher Karl das Haus in der Slowakei aufsucht.

Meine Meinung zum Buch (mögliche SPOILER enthalten):

Grundsätzlich hatte ich anfangs Schwierigkeiten richtig in die Handlung hineinzukommen, weil mir die Sätze so holprig vorkamen, was aber auch an der Übersetzung liegen könnte. Wenn man sich aber an den Schreibstil gewöhnt hat, ist das eine ganz besondere Sichtweise auf eine Affäre beziehungsweise eine Ehe. Dennoch wird hier mit der Sprache ein super Spiel mit der Schnelligkeit hergestellt und es sind auch viele prägende Sätze dabei.

Das Märchen am Anfang konnte ich nicht richtig einordnen und erschien mir auch zu lang. Da hatte ich das Gefühl, dass damit nur der Titel des Buches aufgegriffen werden soll.

Das Hin- und Herspringen zwischen den Handlungen ist anfangs etwas anstrengend, spiegelt aber gut den Gefühlszustand von Karl wieder (was man am Ende auch merkt). Diese Unstrukturiertheit passt auch gut zu dem Monolog-Charakter von Karl.

Warum geht Karl ab dem Selbstmord aber davon aus, dass es Selbstmord war? Könnte es nicht auch ein Verkehrsunfall mit Trunkenheit am Steuer gewesen sein?

Im dritten Teil geht Karl auf Reisen, um mit seiner Schuldzuweisung und dem Trauerprozess klarzukommen. Dabei fand ich die Kapitel in Deutschland aber etwas langweilig, zeigte aber gut auf, dass Karl nicht der einzige ist, der jemanden verloren hat und trauert (in Caroline findet er ja Überschneidungen mit sich selbst).

Als er sich dann weiter zu dem Haus macht, habe ich mir die Frage gestellt, was will er da? Warum möchte er da unbedingt hin?

Und schließlich das Ende SPOILER Zwischendurch dachte ich, dass Karl selbst der Mann mit dem Rattenkäfig ist, der seine Familie tot im Haus vergraben hat. Zudem wird er ja zunehmend verrückter. Schon bevor er das Haus betritt, hofft er ja, dass Ole-Jakob oder Stine ihm geschrieben haben. Dabei ist Ole-Jakob zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben.

Dann geht es weiter: Hat Karl ausversehen einen Brand gelegt und seine Familie kam darin um? Und ist das Haus in der Slowakei das, in welchem er mit seiner Familie gewohnt hat? War der Selbstmord nur eine Vorstellung von Karl oder warum ist er am Ende der Meinung, dass er Schuld an dem Hausbrand ist?

Die Weihnachtsgeschichte am Ende lässt mich auf die liebste Erinnerung an die Vergangenheit von Karl spekulieren. Am Anfang des Buches beschreibt Karl das Leer sein mit seiner Trauer und vielleicht ist der Kabelbrand eine Metapher dafür, dass in seinem Kopf eine Art Sicherung durchgebrannt ist und der Brand als Metapher für das Auslöschen bzw. Ausbrennen seiner Erinnerungen an seine Familie stehen könnte. Karl spricht ja am Ende auch davon, dass er Schuld an dem Brand ist, also im übertragenden Sinne die Schuld durch das Fremdgehen mit Mona. SPOILER ENDE

Fazit: unglaublich spannendes Buch mit viel Platz für Interpretationen, vor allem was das Ende angeht. Dafür müsste man sich aber wahrscheinlich mehr mit Psychoanalyse auskennen, um letztendlich alles zu verstehen. Man wird selber Teil des Gefühlzustandes des Protagonisten, durch den Schreibstil und das Beschreiben der Gefühle. Allerdings muss man damit auch klar kommen, denn für mich war es irgendwann ziemlich verwirrend, aber das sollte wahrscheinlich auch damit aufgezeigt werden. Und auch die Sicht auf die Ehe und Affäre fand ich sehr interessant, auch wenn es manchmal ein paar Unstimmigkeiten in der Handlung gab.

Leider kann man den Autor Stig Sæterbakken nicht mehr fragen, wie das Ende analysiert werden kann, mich würden aber weitere Erklärungsansätze sehr interessieren.

Autor: wieinlimonade

Ich bin Mona und schaue manchmal ein bisschen zu viel Netflix, lese mehr oder minder viele Bücher, bin eher realistisch als romantisch und immer auf der Suche nach der Antwort auf die Frage: "Warum?".

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